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Vortrag von Willi Haas:
Recycling – gut, aber nicht die Lösung

In einem spannenden Vortrag, den man online nachsehen kann, zeigt Kreislaufwirtschafts-Experte Dr. Willi Haas, warum Recycling nicht die Antwort auf unseren steigenden Rohstoffverbrauch sein kann und analysiert das Potential von Kreislaufwirtschaft als Zukunftsmodell.

Der Austausch zwischen Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft war das Ziel einer Veranstaltungsreihe über die Möglichkeiten zur Erreichung der Globalen Nachhaltigkeitsziele, die als Kooperation von BMNT, Umweltbundesamt, Universität für Bodenkultur Wien, Universität Wien und Ö1 stattfand. Für das Thema Kreislaufwirtschaft wurde Dr. Willi Haas als Vortragender eingeladen. Haas forscht am Institut für Sozialökologie, untersucht Materialströme sowie Potentiale und Grenzen der Kreislaufwirtschaft. Seinen Vortrag kann man sich online ansehen.

In seiner Einführung zeigt Haas auf, dass die globale Rohstoffentnahme im 20. Jahrhundert rapid angestiegen ist – und noch weiter emporschnellt. Im Jahr 2050 wird sie voraussichtlich bei 218 Gigatonnen pro Jahr (!) liegen (gegenüber 90 Gt derzeit), und es werden ca. 9,1 Mrd. Menschen die Welt bevölkern. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist bereits jetzt übermäßig hoch und wird also noch weiter stark ansteigen.

Kreislaufwirtschaft soll uns dabei helfen, weniger aus der Natur zu entnehmen und weniger darin zu deponieren. Haas erklärt die zwei Teilkreisläufe: Einerseits zirkulieren Materialien innerhalb eines sozioökonomischen Systems. Andererseits stehen biologische Materialen nach dem Wegwerfen ökologischen Kreisläufen zur Verfügung. Doch diese Zirkulation funktioniert nur in der Theorie gut, in der Praxis sieht es oft anders aus.

In einem weiteren Schritt bringt Haas die Zielsetzungen der Sustainable Development Goals und die Möglichkeiten einer Kreislaufwirtschaft zusammen und zeigt Möglichkeiten sowie Spannungen auf. Wird etwa auf eine Reduktion von Material abgezielt, das dann im Kreis geführt wird, so könnten Widersprüche mit SDG 10 („weniger Ungleichheiten“) auftreten – wenn armen Menschen der Zugang zu unserem Lebensstandard und ebendiesem Material verwehrt wird. All diese Faktoren müssen beachtet werden. Ebenso braucht es einen Umstieg auf nachhaltige Biomasseproduktion – dieser benötigt jedoch erst mal erhöhte Energiezufuhr.

Bewertung von Zirkularität: Input und Output

Die Bewertung von Zirkularität findet an zwei Bereichen eines Systems statt: An der Inputseite wird betrachtet, wieviel wir brauchen und welchen Anteil Sekundärrohstoffe ausmachen. An der Outputseite geht es darum, wieviel wir wieder an die Natur abgeben – und wieviel davon von uns wiederverwertet wird. Augenöffnend ist in diesem Zusammenhang folgende Gegenüberstellung: 1900 wurden global 7,3 Gt entnommen (davon 4% Sekundärrohstoffe) und 5 Gt zurückgegeben (davon 4% rezykliert). 2015 sah die Situation bereits ganz anders aus: Entnommen wurden 88,9 Gt (davon 6% Sekundärrohstoffe), zurückgegeben über 48 Gt (davon 11% rezykliert). Es zeigt sich: Die enorme Zunahme an entnommenen und wieder zurückgegebenen Gütern können erhöhte Recyclingraten in keiner Weise wettmachen. Zudem entsprechen die offiziellen Raten kaum der Realität.

Recycling ist nicht die Lösung

Haas geht weiter auf das Thema Recycling ein und betont, dass es oft verhältnismäßig viel Energie braucht – im Fall von Papier z.B. in etwa 0,4 – 1,8 kg Co2-Äquivalente pro Kilogramm Papier. Daraus ist zu folgern, dass Recycling eben nicht aller Probleme Lösung ist und Vermeidung von (Papier-)Abfall viel mehr im Sinne der Kreislaufwirtschaft wäre als intensiv betriebenes Recycling. Hinzu kommen künftige Herausforderungen, etwa dass Recycling von Metallen durch neue Produktionstechnologien in Zukunft erschwert wird. Haas betont, dass es immer einen globalen Blick auf das Gesamtsystem braucht, um beurteilen zu können, was sinnvoll ist und was nicht.

Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, weniger aus der Natur zu entnehmen sowie weniger darin zu deponieren. Wir brauchen eine drastische Reduktion des Energie- und Materialverbrauchs, eine nachhaltige Biomasse-Produktion und eine „starke“ Kreislaufführung. Dazu braucht es Produkte mit langer Lebensdauer, langfristiges Ökodesign sowie ein eindeutiges Anreizsystem. Haas wünscht sich eine sozialökologische Steuerreform, die Arbeit entlastet und Material und Energie belastet.

Der Vortrag von Haas ist wirklich sehenswert, weil er Kreislaufwirtschaft sehr differenziert betrachtet und auch auf die Herausforderungen eingeht, die durch die komplexen Zusammenhänge im System entstehen. Er stellt klar: Es müssen mit konkreten, ambitionierten politischen Regulierungen die Weichen gestellt werden – und es braucht einen Blick auf das Gesamtsystem und die komplexen Wechselwirkungen – u.a. mit den SDGs -, um den Umstieg zu vollziehen.

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