Von linear zu zirkulär:
Weg vom Recycling – hin zu echter Kreislaufwirtschaft
Allzu oft dreht sich eine scheinbar kreislaufwirtschaftlich orientierte Diskussion um Recycling. Dabei übersieht sie einen wesentlichen Punkt: Damit echte Circular Economy umgesetzt werden kann, müssen wir uns vom Fokus auf Abfall wegbewegen – hin zu aktiver Vermeidung durch Re-Use und weitere Modelle. Das proklamiert Alexandre Lemille. (Quelle: MakingItMagazine)
Recycling ist nicht die Lösung – das betont der VABÖ seit jeher. Vielmehr müssen Konsum- und Produktionsmuster von Grund auf umgekrempelt werden. Die Zeit des immerwährenden Wachstums ist abgelaufen. Davon ist auch Alexandre Lemille, Lektor im Fachgebiet der inklusiven Kreislaufwirtschaft in Paris und Cape Town, überzeugt. In seinem Artikel auf MakingItMagazine.net kritisiert er den zu starken Fokus des EU Circular Economy Action Plans auf Recycling. Denn echte Kreislaufwirtschaft müsse Recycling eigentlich vermeiden, indem vermehrt in alternative Modelle investiert wird, die den Produktwert auf einem hohen Level halten.
Recycling ist linear
Dass jeglicher Abfall vollständig vermieden werden kann, ist unrealistisch. Dennoch ist es absolut notwendig, heute zirkuläre Innovationen zu finden, die Abfallvermeidung priorisieren. Recycling hingegen ist linear, Abfall ist sein Ausgangspunkt, und es hat somit keine Lösungen für das stetig steigende Abfallaufkommen parat.
In einem linearen Wirtschaftssystem, wie es seit dem 20. Jahrhundert vorherrscht, wird Nebeneffekten der Güterproduktion keine oder kaum Beachtung geschenkt. Wir extrahieren Ressourcen, verarbeiten diese zu Produkten und entsorgen diese am Ende der Nutzungsdauer. Das Hauptaugenmerk liegt auf möglichst hohem Absatz für die ProduzentInnen – der dabei entstehende Abfall ist ihnen mehr oder weniger egal und Sache von nationalen Institutionen. Recycling setzt erst in der Phase ein, wenn das Produkt bereits Abfall ist – und es verschlingt oft sehr große Energiemengen, bringt aber nur wenige Arten von Sekundärrohstoffen von oft minderer Qualität.
Recycling ändert nichts an unseren Konsummustern – doch genau diese müssen wir ändern. Lemille betont, dass uns Investitionen in die Recyclingindustrie, so nachhaltig sie sich auch präsentieren mögen, weiterhin in diesem linearen System festhalten und die Umstellung zu einem fortgeschrittenen Kreislaufwirtschaftsszenario nur weiter aufschieben.
Kreislaufwirtschaft als gutes Business-Modell
In einer Kreislaufwirtschaft werden Produkte so hergestellt, dass sie mehrere Lebenszyklen bestreiten – das Produkt selbst ist ein Kreislauf. Der Wert der Produkte wird durch Re-Use, Wartung, Reparatur, Sanierung oder Wiederaufbereitung auf einem möglichst hohen Level gehalten. Für ProduzentInnen eröffnen sich in diesem System neue, gewinnbringende Möglichkeiten: Durch die Rücknahme und Reparatur von Produkten wird ein guter Kontakt mit den KundInnen gefördert, und es kann besser auf deren Bedürfnisse eingegangen werden. Mehr Service bedeutet zudem bessere KundInnenbindung. Die Nähe zu den verarbeiteten Produkten bringt für die ProduzentInnen zudem Kontrollgewinn und weniger Abhängigkeit von den Rohstoffmärkten. Mit diesem Modell geht auch eine lokalere Produktion einher.
Sichere Jobs mit Re-Use, Reparatur und Wiederaufbereitung
Alexandre Lemille folgert aus seinen Ausführungen, dass wir vermehrt in diese bislang meist nur in Nischenmärkten praktizierten Methoden wie Re-Use und Wiederaufbereitung investieren müssen. Denn dadurch wird Material- und Produktwert bewahrt – und es werden sichere Jobs geschaffen. Walter R. Stahel, einer der Vordenker der Kreislaufwirtschaft, hat hierfür eine Berechnungsmethode eingeführt, die den Arbeitsaufwand dem verarbeiteten Material gegenüberstellt. Er fand heraus, dass das Verhältnis Arbeitsstunde pro Kilo (mh/kg) der verbrauchten Ressourcen für einen wiederaufbereiteten Motor im Vergleich zu mh/kg für die Herstellung desselben Motors aus Neuware 270:1 beträgt. Die Auswirkungen auf die Beschäftigung sind demnach enorm. In einer Wirtschaft der Wartung, Reparatur und Wiederaufarbeitung wird die Beschäftigung zu einem zentralen Faktor.
Es ist als Aufgabe von öffentlichen Institutionen sowie wichtigen EntscheidungsträgerInnen zu sehen, die richtigen Prioritäten zu setzen. Re-Use, Umverteilung und Wiederaufbereitung müssen Investitionsfokus werden. Gibt es weniger Abfall, so können auch Recyclingaktivitäten schrittweise umverlagert werden – sodass mehr Menschen in den prioritären Phasen der Abfallvermeidung Arbeitsplätze finden.
Es zeigt sich: Es gibt auf vielen Ebenen noch einiges zu tun. Dabei ist die Rolle der AbfallberaterInnen zentral, denn sie vermitteln zwischen Abfallwirtschaft, Industrie und KonsumentInnen und stehen vor der Herausforderung, breites Bewusstsein und hohe allgemeine Beteiligung an neuen, zukunftsweisenden Modellen zu schaffen. Denn Abfallvermeidung geht uns alle an.
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Link zum vollständigen Artikel auf MakingItMagazine.net
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