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Zu kostbar zum Wegwerfen: Nie wieder Plastiksackerln?

Ab 2020 sollen in Österreich keine Plastiktragetaschen mehr vertrieben werden, Kosmetika und Reinigungsmittel dürfen kein Mikroplastik enthalten – so plant es zumindest die Regierung. Die einen sehen im Verbot den ersten Schritt hin zu einer Gesamtlösung, die anderen, vor allem der Handel, wollen stattdessen Bewusstseinskampagnen.

Konkret wurden die folgenden Punkte im Ministerrat vom 5. Dezember beschlossen:

  • Alle Kunststofftragetaschen sollen ab 2020 verboten werden. Die einzigen Ausnahmen sind biologisch vollständig abbaubare Tragetaschen aus nachwachsenden Rohstoffen.
  • Rasche Umsetzung der Einwegplastik-Richtlinie der Europäischen Union mit entsprechenden Produktverboten und Reduktionszielen
  • Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten und Reinigungsmitteln ab 2020, wobei eine gemeinsame europäische Lösung wünschenswert wäre.
  • Nachweisliche Reduktion von Plastikverpackungen, vor allem Einwegverpackungen, bis 2025, um 20% – 25% im Vergleich zu 2016 und bewusstseinsbildende Maßnahmen.

Die freiwillige Selbstverpflichtung mancher Handelsunternehmen, Plastiksackerln nur noch kostenpflichtig zur Verfügung zu stellen, reiche nicht aus. Das Verbot solle nun aber nicht zu einem „Anstieg von vorverpackter Wareoder foliierten Produkten“ führen. Für jedes Produkt gebe es eine ökologisch optimierte, nachhaltige und kundenfreundliche Verpackungslösung. Laut Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus sollen sojährlich 60.000 Tonnen an Plastikverpackungen und bis zu 7.000 Tonnen bei den Plastiksackerln eingespart werden.

Abfallvermeidung muss das übergeordnete Ziel sein

Laut einer Profil-Umfrage sind 86 % der ÖsterreicherInnen für ein Verbot von Plastiksackerln, wie es die Regierung beschlossen hat. Nur 4 % sind absolut dagegen. Unterstützung für das Verbot kommt laut europaticker unter anderem vom Seniorenbund. Auch die Grünen Niederösterreich begrüßen es grundsätzlich, rügen die Regierung aber gleichzeitig für andere, gar nicht umweltfreundliche Vorhaben, wie Tempo 140, die dritte Flughafenpiste, Lobautunnel u.a. Außerdem seien die Getränkeflaschen das größte Plastik-Littering-Problem, diese werden im Beschluss aber nicht ausdrücklich erwähnt. Die Grünen NÖ fordern ein Pfandsystem für Getränkeflaschen und –dosen.

Greenpeace, das unmittelbar vor dem Beschluss der Regierung eine Kampagne gegen Wegwerfplastik durchgeführt hat, warnt davor, dass die verbotenen Kunststoffsackerln und -verpackungen durch andere Einwegsackerln und –verpackungen ersetzt werden könnten. Wichtig sei hier der Fokus auf Mehrwegsackerln, die auch tatsächlich wiederverwendet werden und nicht wie Papiersackerln trotzdem weggeworfen werden. Daher sollten vom Handel gar keine Gratissackerln, egal aus welchem Material, mehr ausgegeben werden.

Was die biologisch abbaubaren Sackerln und Einwegprodukte betrifft sagte Robert Tulnik vom Österreichischen Kompost & Biogas Verband bereits in einem kürzlich geführten Interview gegenüber dem VABÖ, dass auch das Bio-Kreislauf-Sackerl nur dann sinnvoll ist, wenn es die Bioabfallsammlung fördert, wenn es also diesen zusätzlichen Nutzen hat. Aber Einwegprodukte sind in der Regel, selbst wenn sie tatsächlich kompostierbar sind, nicht besonders förderlich für den Kompostierungsprozess und müssen ebenfalls unter Ressourcenaufwand hergestellt werden. Die beste Lösung ist immer die Vermeidung von Abfall, da sind sich die AbfallexpertInnen einig.

Handel gegen Verbot, aber für Förderung von Mehrwegalternativen

Von Seiten der WKO Sparte Handel heißt es, dass die freiwillige Vereinbarung zur Reduktion von Plastiksackerln, die aktuell nur große Handelsbetriebe betrifft, gut funktioniert und ein generelles Verbot unnötig sei. Auch eine Ausweitung der freiwilligen Vereinbarung auf kleinere Betriebe steht schon seit längerem im Raum. Ganz praktisch dürfte es für die Betriebe schwierig werden, alternativlos auf die Plastiksackerln zu verzichten, weshalb Spartenobmann Buchmüller von der Bundesregierung fordert, das Gespräch mit der Wirtschaft zu suchen, um gemeinsame Lösungen zu finden. Darüberhinaus fordert Buchmüller Maßnahmen, um die Bevölkerung aufzuklären und zu sensibilisieren. Außerdem müsse auch der Online-Handel von ausländischen Firmen nach Österreich von dem Gesetz berücksichtigt werden.

Dass der Online-Handel von der Pflicht, Verpackungen zu reduzieren, nicht ausgenommen sein darf, sieht auch der österreichische Handelsverband so. Dieser bemängelt außerdem in einer Aussendung, dass kostenpflichtige Mehrwegtaschen aus Kunststoff nicht von dem Verbot ausgenommen sein sollen.

Laut europaticker beurteilt der Fachverband der Chemischen Industriedas Gesetzesvorhaben als nicht zielführend, da andere Einwegsackerl, wie auch Greenpeace betont, in der Herstellung eine schlechtere Umweltbilanz haben als Plastiksackerln. Stattdessen fordert die Geschäftsführerin des Fachverbands Silvia Hofinger, im Sinne der Kreislaufwirtschaft Recycling und Mehrweg zufördern. Ebenso wie die Sparte Handel und der Handelsverband betont Hofinger, dass vor allem die Bevölkerung über den verantwortungsvollen Umgang mit den Verpackungsmaterialien aufgeklärt werden muss. Das sei sinnvoller als ein Verbot. Hofinger ist sichtlich daran gelegen, nicht den Kunststoff an sich in Verruf geraten zu lassen, der zweifellos in vielen Fällen wichtig und richtig eingesetzt ist. Für die Verschwendung in Einwegprodukten ist Kunststoff aber klar zu schade.

Gesamtziel Ressourcen- und Umweltschutz im Auge behalten

Aus Sicht der Abfallberatung ist jedoch nur allzu bekannt, dass Aufklärungs- und Bewusstseinsarbeit und freiwillige Vereinbarungen in den letzten Jahrzehnten den Anstieg des Plastikmülls nicht verhindern konnten. Gesetzliche Maßnahmen hierzu sind daher grundsätzlich zu begrüßen. Bei der Ausarbeitung der gesetzlichen Details wird es viele Zielkonflikte zu lösen geben. Der VABÖ appelliert daher an alle Stakeholder, konstruktiv die Gesamtreduktion des Rohstoffeinsatzes pro Kopf anzustreben, damit sich die Probleme nicht in andere Bereiche verlagern.

Weitere Infos …

Aussendung des BMNT

Antrag im Ministerrat am 5.12.2018

Profil: Umfrage: 86 % für Verbot von Plastiksackerln

europaticker: Österreich: Regierung kündigt Aus für Plastiksackerl an

VABÖ-News, Interview mit Tulnik: Bioabfall ins Bio-Kreislauf-Sackerl: Was taugen biologisch abbaubare Einwegprodukte?

Aussendung vom Handelsverband

europaticker: Branche sieht zielführende Lösung in Recycling und Mehrweg

VABÖ-News: Vermüllte Natur – typisch österreichisch?