Bericht der Changing Markets Foundation deckt auf:
Die Lobbyingtaktiken der globalen Plastikindustrie
Der Bericht „Talking Trash“ der Changing Markets Foundation deckt die Machenschaften von Firmen und Interessensgruppen auf, die strengere Gesetzgebungen im Bereich Plastik verhindern wollen. Ihre Taktik: Verzögern – Ablenken – Verhindern. Auch in Österreich.
Die Plastikkrise hält uns in Atem und die Diskussion rund um das Thema bringt immer mehr Dinge ans Licht. Im September veröffentlichte die Changing Markets Foundation den Bericht „Talking Trash. The corporate playbook of false solutions to the plastic crisis“. Darin werden die Taktiken der Plastikindustrie unter den Schlagwörtern „Delay – Distract – Derail“ (Verzögern – Ablenken – Verhindern) auf den Punkt gebracht. Freiwillige Verpflichtungen von Firmen wie Coca-Cola, Danone oder Nestlé werden entlarvt: selbstgesetzte Ziele klingen zwar oft ambitioniert, werden allerdings nicht selten erst gar nicht erreicht; oder es fehlt an Transparenz und unabhängiger Datenerhebung. Gruppeninitiativen wiederum fokussieren oft lediglich auf End-of-pipe-Lösungen wie Clean-up oder Recycling, während der Ursprung des Plastikproblems nicht angerührt wird. Keine der im Bericht untersuchten Firmen oder Initiativen setzt sich proaktiv für eine ambitionierte Gesetzgebung ein, die Sammlungsverplichtung, Wiederverwendung und Recycling beinhaltet.
Fallstudien zu einzelnen Ländern zeichnen ein eindeutiges Bild. In den Vereinigten Staaten hat die Industrie erfolgreich die Schuld und Verantwortung für die Verschmutzung durch Kunststoffe von den Unternehmen auf die Verbraucher*innen und die Behörden verlagert, während sie gleichzeitig das Recycling als bequemen Vorwand für die Produktion von immer mehr Kunststoffen fördert.
In Asien zeigt ein Blick nach China einerseits das Einfuhrverbot von Kunststoffabfällen 2018, doch demgegenüber geringes unternehmerisches Handeln. In Japan ist man sich trotz des sehr hohen Engagements der Bürger*innen für die getrennte Sammlung kaum bewusst, dass die meisten Abfälle tatsächlich verbrannt oder exportiert werden. Über Japans Grenzen hinaus treibt die Regierung auch problematische Verbrennungstechnologien und biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe als Teil ihrer „Lösungen“ im Rahmen der Auslandshilfe voran. Uruguay, Bolivien und Kenia werden ebenso betrachtet.
In Europa werden Bemühungen der Industrie beleuchtet, die EU-Kunststoffstrategie und die EU-Single-use-plastics-Richtlinie zu schwächen und zu verzögern. Neben weiteren Fallstudien aus Europa (Schottland, Spanien, Tschechien, Frankreich), wird ein Kapitel der Studie auch den Entwicklungen in Österreich gewidmet.
Hierzulande wird aktuell die Einführung eines Pfandsystems für Plastikflaschen heiß diskutiert. Die vom BMK in Auftrag gegebene Studie „Möglichkeiten zur Umsetzung der EU-Vorgaben betreffend Getränkegebinde, Pfandsysteme und Mehrweg“ (mehr dazu) zeigte bereits im Jänner 2020, dass ein Einwegpfandsystem, in Kombination mit Verstärkung von Mehrweg, die beste Lösung ist, die von der EU vorgeschriebenen Sammelquoten zu erreichen. Doch intensive Lobbyingmaßnahmen einer Koalition von österreichischen Handelsfirmen stemmen sich dagegen. Der Bericht zeigt, dass die ARA – Altstoff Recycling Austria mit der Einführung eines Einwegpfandsysstems über € 24 Mio. an Lizenzgebühren verlieren würde. Global 2000 hatte zuvor in der Publikation „Die Plastikverschmutzungs-Lobby“ bereits die Verhinderungstaktik der österreichischen Plastiklobby untersucht.
Der Bericht der Changing Markets Foundation zeigt, dass Initiativen, die auf Freiwilligkeit passieren, bislang gescheitert sind – mehr noch: dass sie von Firmen taktisch dazu verwendet wurden, einen Fortschritt in der Gesetzgebung zu verzögern bis zu verhindern. Die Ergebnisse dieses Berichts sind zweifelsohne nur die Spitze des Eisbergs. Sie geben jedoch einen Einblick in die Arbeitsweise der Branche – schnelle Mobilisierung, um jeden Versuch einer Regulierung oder Einschränkung der Verwendung von Kunststoffen zu unterbinden, energische Lobbyarbeit gegen die Gesetzgebung, Greenwashing durch Verpflichtungen, die sich auf End-of-Pipe-Lösungen konzentrieren, und Verlagerung der Verantwortung auf die Verbraucher*innen.
„Greenwashing und leere Versprechen werden uns bei der Lösung der Plastikkrise und den daraus resultierenden Umweltproblemen nicht helfen. Daher ist es allerhöchste Zeit für verbindliche rechtliche Vorgaben wie eine Herstellerabgabe, Mehrwegquoten und ein Einwegpfandsystem, um den stetig wachsenden Müllbergen entgegenzuwirken“, erklärt Lena Steger von Global 2000 – diesem Statement schließt sich der VABÖ gleich mit an. Der diesbezügliche 3-Punkte-Plan gegen die Plastikflut von Klimaministerin Gewessler wird also hoffentlich bald in die Tat umgesetzt.
Mehr Infos …
Changing Markets Foundation: „Talking Trash. The corporate playbook of false solutions to the plastic crisis“ (vollständiger Bericht, englisch)
Global 2000: „Die Plastikverschmutzungs-Lobby“
VABÖ-News: Gewesslers „3-Punkte-Plan gegen die Plastikflut“
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